Gegen die drohende Festlegung willkürlicher Festbeträge durch die Krankenkassen – Landesregierung muss handeln!
Gegen die drohende Festlegung willkürlicher Festbeträge durch die Krankenkassen wandten sich die Landräte der Landkreise Teltow-Fläming, Potsdam-Mittelmark und Märkisch-Oderland im Rahmen eines Pressegespräches am 11. März 2025 an die Presse. Sie vertraten damit zugleich die Auffassungen der Landkreise Barnim, Oberhavel, Oberspreewald-Lausitz, Oder-Spree und Spree-Neiße.
Mit Schreiben vom 23. Januar 2025 hat die Arbeitsgemeinschaft der Verbände der Krankenkassen im Land Brandenburg dem Rettungsdienst des Landkreises Teltow-Fläming mitgeteilt, dass die Leistungspflicht zur Kostenübernahme für Rettungsdienstleistungen des Landkreises rückwirkend zum 1. Januar 2025 auf Festbeträge begrenzt wird.
Ähnliche Schreiben gingen auch den anderen Landkreisen ein. Begründung ist, dass die Kosten- und Leistungsrechnung (KLR) der Rettungsdienstträger/Landkreise abgelehnt wird und die Krankenkassen einzig die sogenannte Mustergebührenkalkulation eines externen privaten Gutachters anerkennen.
Das ist Unrecht! Denn für die Erstellung der Kosten- und Leistungsrechnung ist der Träger des Rettungsdienstes/der Landkreis verantwortlich.
Das Gesetz regelt zwar, dass eine Abstimmung mit den Kostenträgern erforderlich ist, die auch von Landkreisseite sorgfältig für die Anhörung vorgenommen wurde. Eine Einvernehmensregelung sieht das Rettungsdienstgesetz jedoch ausdrücklich nicht vor. Und auch nicht das Diktat einer sogenannten Mustergebührenkalkulation durch die Krankenkassen. (Gesetzliche Grundlage: § 17 Abs. 2 Satz 5 BbgRettG)
Rechtliche Grundlage für eine Leistungsbegrenzung auf Festbeträge fehlt
Für dieses Vorgehen der Krankenkassen fehlt die rechtliche Grundlage: Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festbetragsregelung (§ 133 Abs. 2 SGB V) liegen nicht vor – dies hat das OVG Berlin-Brandenburg jüngst im Urteil zur Gebührensatzung des Landkreises Märkisch-Oderland explizit festgestellt.
Nicht beanstandet hat das Gericht den kalkulatorischen Umgang mit Fehlfahrten und Fehleinsätzen. Zum Sachverhalt insgesamt hat sich der Landkreis Teltow-Fläming über die uns im Normenkontrollverfahren vertretende Rechtsanwaltskanzlei an die Krankenkassen gewandt. Nachrichtlich ist das Ministerium für Gesundheit und Soziales informiert worden (Anlage 1).
Vorgehen von MOL rechtmäßig – Aussetzen der Festbeträge jetzt!
Das Gericht erachtet das Vorgehen des Landkreises Märkisch-Oderland als rechtmäßig, in seiner Satzung eigene Gebührentatbestände für bestimmt Arten von Fehlfahrten und -einsätzen zu schaffen.
So nimmt das Gericht Bezug auf den Willen des Gesetzgebers (OVG 1 A 2/20, S.31 f.) und gibt zu verstehen, dass es einen Sachgrund zur Einschränkung der allgemeinen gebührenrechtlichen Grundsätze sieht. Der Sachgrund sei u. a., „dass dem Rettungsdienst immanent ist, dass das Rettungsmittel quasi auf Zuruf in Gang gesetzt wird“. Dies käme allen Nutzern des Rettungsdienstes zugute, denn sie müssen für die Inanspruchnahme der Hilfe keine Vorleistungen oder Sicherheit einbringen. Fehlfahrten, in deren Rahmen der Gesundheitszustand des Patienten oder der Patientin beurteilt wird (und daraufhin der Transport unterbleibt), sind nach Aussage des Gerichts „im Grunde erwünscht“. Die Krankenkassen würden davon profitieren, weil ihnen die Kosten einer ambulanten oder gar stationären Krankenhausbehandlung erspart blieben.
Nach alledem dürfte sich erst in der Zusammenschau des OVG-Urteils zum Landkreis Märkisch-Oderland mit dem noch ausstehenden Urteil des OVG zur Rettungsgebührensatzung des Landkreises Teltow-Fläming ein vollständiges Bild ergeben. Das Urteil wird noch im Jahr 2025 erwartet.
Deshalb ist die Forderung an die Landesregierung mit dem zuständigen Ministerium für Gesundheit und Soziales, das die Fach- und Rechtsaufsicht hat, dass die Festbeträge durch die Krankenkassen zurückgenommen werden und das Urteil des OVG über die Rettungsgebührensatzung des Landkreises Teltow-Fläming abgewartet wird.
Landesregierung muss handeln! Rettungsdienstkosten nicht auf die Menschen abwälzen!
Mit den Normenkontrollklagen der Krankenkassen gegen die Landkreise sind die Kosten für Fehlfahrten und Fehleinsätze streitig gestellt worden. Das ist beispielsweise für den Landkreis Teltow-Fläming eine Größenordnung von ca. 4 Mio. Euro jährlich (ca. 12 Prozent der Gesamtkosten – Anlage 2). Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen vor Ort eine medizinische Beurteilung des Patienten erfolgt und ein Transport ins Krankenhaus nicht erforderlich ist, sowie Fehleinsätze, die z. B. auf den Missbrauch des Notrufs zurückzuführen sind.
Mit den Festbeträgen wird eine einseitige und willkürliche Leistungskürzung durch die Krankenkassen vorgenommen und an die Versicherten weitergegeben. Damit werden de facto die Versicherten durch ihre eigene Krankenkasse zu Gebührenschuldnern gegenüber den Rettungsdienstträgern/den Landkreisen, denn die Landkreise haben nach dem Rettungsdienstgesetz ihre Satzungen rechtskonform aufgestellt und sind an diese gebunden (Anlage 3).
Dies ist gesundheits- und sozialpolitisch nicht vertretbar und würde faktisch bedeuten, dass die medizinische Rettungshilfe in Brandenburg nunmehr vom jeweiligen Geldbeutel abhängig ist.
Fach- und Rechtsaufsicht hat das Ministerium für Gesundheit und Soziales
Obwohl sich mittlerweile die Ministerin für Gesundheit und Soziales des Landes Brandenburg für eine Lösung eingebracht hat, ist das Ergebnis bisher eher enttäuschend. So haben die Krankenkassen zwar signalisiert, dass sie jetzt nicht mehr nur auf ihrer einen sogenannten Musterkalkulation beharren würden, aber sie erst dann von den Festbeträgen absähen, wenn eine aus ihrer Sicht erfolgte Einigung festgestellt werden könne.
Das Brandenburger Rettungsdienstgesetz regelt die pflichtige Aufgabenübertragung des Rettungsdienstes auf die Landkreise und das Kostendeckungsprinzip durch die Krankenkassen. Es folgt dem Ziel eines flächendeckenden, solidarisch finanzierten Rettungsdienstes.
Die Landkreise verfügen nicht über eine eigene Steuerkraft bzw. Steuereinnahmen. Sie sind daher im Wesentlichen von den Finanzzuweisungen des Bundes und des Landes, insbesondere aus dem kommunalen Finanzausgleich, den Kostenerstattungen für übertragene Aufgaben und von der Erhebung der Kreisumlage abhängig. Ein Kosten- bzw. Liquiditätsrisiko einzugehen, das auf den Kreishaushalt und dem Grunde nach auf der Fehlbetragsfinanzierung der kreisangehörenden Gemeinden, Städte und Ämter – der Kreisumlage – lasten würde – das geht gar nicht! Bekanntermaßen sind die Brandenburger Landkreise derzeit in großen finanziellen Nöten, der Landkreis Teltow-Fläming sogar in der Haushaltssicherung.
Das Ministerium für Gesundheit und Soziales ist Rechtsaufsicht über die Krankenkassen. Deshalb muss es einschreiten, wenn gesetzliche Vorgaben unterlaufen werden. Das ist dringend geboten!
Das Foto entstand bei der Pressekonferenz am 11.03.2025 (Bildautor: Landkreis TF)